Studien
 
Hat der Gastmeister das nachmalige Reichenbacher Forsthaus kurz nach 1763 erbaut?
 
Es ist immer wieder, zuletzt bei der Anlage des "Erlebnispfads", über den Ursprung des Reichenbacher Forsthauses gerätselt worden. Sicher war nur, dass es 1837, als die erste Flurkarte herauskam, schon existierte - obgleich nicht als Forsthaus: diese Widmung bekam es erst 1893, als das Forstamt aus dem Westflügel herüberzog. Sehr wahrscheinlich war auch, dass es nicht vor 1751 gebaut wurde, weil der aus diesem Jahr stammende, allerdings nicht ganz zuverlässige "Mühlenplan" das Gebäude nicht verzeichnet. So ergab sich für die Zeit der Errichtung des späteren Forsthauses eine Spanne von fast 90 Jahren. Etwas mehr Genauigkeit ist da schon erwünscht, man findet sie im Beilagerbuch des Klosteramts (XXXVI).

Im Jahr 1763 bittet der Gastmeister Franz Jacob Klumpp (1702 - 1779) um die Erlaubnis, " auf seine Hofraithin, neben dem Gasthauß, worauf er wirklich einen Stall und Wagen-Schopf stehen hat, ein neues Hauß erbauen zu dörfen." Es handelt sich also um ein ganzes Ensemble, gehen wir es der Reihe nach durch:

  • Gasthaus. Es muss der stattliche Bau sein, der bis heute den Gebäudekomplex nach Norden abschließt. Wir finden ihn auf dem "Mühlenplan" 1751. Ein dendrochronologisches Gutachten, das Sigwart Fleischle erstellen ließ, belegt, dass dieser Bau um das Jahr 1745 errichtet oder, wahrscheinlicher, wieder errichtet wurde.
  • Hofraite. Sie schließt sich bis heute, "neben dem Gasthauß", nach Süden an.
  • Stall und Wagenschopf. Aus der Tatsache, dass der "Mühlenplan" sie nicht aufführt, folgt nicht, dass sie 1751 noch nicht existierten - so detailgenau ist der "Mühlenplan" nicht. 1837, auf der Flurkarte, haben wir bereits das offene Viereck aus Haupt- und Nebengebäude, wie wir es heute kennen. Ob diese Anordnung schon 1763 genau so bestand, kann dahin gestellt bleiben; nicht wahrscheinlich ist, dass sich Stall und Wagenschopf anderswo befanden, zumal eines der beiden Nebengebäude einen tiefen Keller besitzt, der auf eine alte Bebauung, vielleicht in Form einer Kellerhütte, wie wir sie vom Pfarrhaus kennen, schließen lässt.
  • Neues Haus. Für das neue Haus, das auf der Hofraite errichtet werden soll, bleibt dann eigentlich nur Platz zwischen dem südlichen, verkürzten Flügel des nach Osten offenen Vierecks und der Straße. Bevor wir diese Folgerung überprüfen, wollen wir der Frage nachgehen, was den Gastmeister 1763 veranlasst haben könnte, ein neues Wohnhaus zu planen.

Franz Jacob Klumpp ist 61 Jahre alt, sein Sohn, Franz Carl Klumpp (1744 - 1799), ist zwar noch im jugendlichen Alter, wird aber 1766 heiraten und bald danach die Gastmeisterei übernehmen. 1769, im „Tabellarischen Verzeichnis“(XXXI), ist sie ebenso in seinem Besitz wie ein weiteres Wohnhaus, dessen Lage wir nicht kennen. Aber auch der Vater besitzt ein eigenes Wohnhaus. Es geht also insgesamt um drei Wohngebäude. Nun wissen wir, dass die Gastmeister seit Anfang des 17. Jahrhunderts Immobilienbesitz vor dem Ochsentor haben. Eines der beiden Wohnhäuser, zusätzlich zur Gastherberg, könnte also dort zu suchen sein. Dabei ist es für unsere Überlegungen beinahe gleichgültig, ob der Vater, Franz Jacob Klumpp, ein Haus vor dem Ochsentor oder eines, das wir in der Nähe der Gastherberg vermuten, bewohnt hat. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass sich der Vater seinen Alterssitz neben der Gastherberg gebaut hat, während ein Wohnhaus vor dem Ochsentor an ein oder zwei Beisitzerfamilien vermietet war. (Im „Tabellarischen Verzeichnis“ finden wir 1769 in Reichenbach acht Beisitzer, also Einwohner ohne Immobilienbesitz.)

Um das neue Haus „neben dem Gasthauß“ genauer lokalisieren zu können, müssen wir noch einmal in das Beilagerbuch schauen. In der Baugenehmigung der herzoglichen Kanzlei vom 8. Oktober 1763 soll das Haus auf einem Platz errichtet werden, „der zwischen dem Pfarr Gartten und der Straß liegt, vornen aber auf seine Hofraitin, und hinten auf sein Würzgärttlen stoßt.“ Dieses Würzgärtlein, das früher wohl zum Pfarrgarten gehörte, hatte der Gastmeister gerade erst, nämlich im August 1763 vom Staat gekauft. Die Lagebeschreibung des Gärtleins im Beilagerbuch: „zwischen der Straß und dem Pfarr-Gartten, vornen auf die Straß und unten des Supplicanten Schopf und Wagen Hütten stoßend.“

Wir finden dieses Gärtlein, obwohl hinter einer Hecke verborgen, nach Süden hin neben dem Forsthaus (Foto). Auf der Flurkarte von 1837 hat es die Parzellen-Nr. 78 und ist, wie der Kataster belegt, im Besitz von Ignaz Fleig und Carl Bantlin (LII). Diese beiden Personen – auswärtige Investoren aus Villingen und Beffendorf (Oberndorf a.N.) – sind aber auch, dies vor allem, Eigentümer des späteren Forsthauses und der Nebengebäude der Gastmeisterei (einschließlich eines Wirtschaftsgebäudes westlich des Forsthauses), die alle die Nr. 48 tragen, während der neue Gastmeister, Gottlieb Friedrich Schweikle (1800-1871), nur noch das Hauptgebäude, die eigentliche Gastherberg, mit der Nr. 49 besitzt (vgl. dazu auch den Lageplan).

Versuchen wir zum Schluss noch den Besitzerwechsel unter den ehemaligen Gütern der Gastmeisterei vor 1837 zu erklären. Der letzte Gastmeister aus der Familie Klumpp war Christoph Friedrich Klumpp (1776-1828), der Sohn von Franz Carl Klumpp. Um 1800 war er, wie der Vermögenskataster (IL) beweist, mit einem steuerpflichtigen Vermögen von knapp 3000 Gulden der bei weitem reichste Bürger Reichenbachs. Christoph Friedrich Klumpp aber stirbt kinderlos. Spätestens danach, möglicherweise schon früher, zerfällt der Besitz. Die Eigentümer des Gebäudekomplexes Nr. 48 besitzen 1837 übrigens auch die Erlensägmühle, die der Gastmeister Franz Jacob Klumpp um 1756 bauen ließ. Doch dies ist eine andere Geschichte.

Typoskript: 10/02
Druckversion: Freudenstädter Heimatblätter 01/03
Internetversion: 10/03
Aktualisierung: 11/06