Studien
 
Die Sägmühle des Gastmeisters Franz Jacob Klumpp zu Reichenbach
 
Die alte, seit 1346 bezeugte (H. Jänichen, 1967) Reichenbacher Sägmühle vor dem Ochsentor war Mitte des 18. Jahrhunderts offenbar stark reparaturbedürftig und wohl auch technisch nicht mehr aktuell: Als "Plotzmühle", die den schweren Sägerahmen mit dem Sägeblatt anhob, um ihn dann zum Sägeschnitt herunter fallen, "plotzen" zu lassen, konnte sie nur in einer Richtung sägen. Außerdem stand ihr in Reichenbach nach altem Recht das Wasser aus dem Mühl- und Säggraben nur über ein Drittel der Zeit zur Verfügung (XXXV). Diese Gründe waren es, die zwischen 1747 und 1752 zu Überlegungen führten, von Staats wegen eine neue Sägmühle erbauen zu lassen - ein Vorhaben, dem wir zwar den "Mühlenplan" (1751) verdanken, das aber nach vielem Hin und Her schließlich zugunsten einer Reparatur der alten Mühle wieder aufgegeben wurde (XXXVIII).

Sehr erfolgreich scheint indes die Reparatur nicht gewesen zu sein, sonst hätte nicht wenige Jahre später, genau: am 30. Juni 1756, der Gastmeister Franz Jacob Klumpp (1702 - 1779) als privater Investor die Genehmigung zum Bau einer neuen Sägmühle bekommen, und zwar - wie betont wird - einer "Eisen-Sägmühl". Diese Präzisierung soll wahrscheinlich zum Ausdruck bringen, dass wesentliche Teile der Mühle nicht aus Holz, sondern aus Eisen gefertigt waren, insbesondere die technisch neue Pleuelstange, die ein Sägen auf Stoß und Zug erlaubte. Zusätzlich zur Säge war der Betrieb eines "Ölschlags", also einer Ölpresse, sowie einer "Flachs- und Hanfreibin" vorgesehen. Errichtet werden sollte das ganze Werk auf einer Wiese des Gastmeisters, die rechts der Murg gesucht werden muss, weil Franz Jacob Klumpp auch die Erlaubnis zum Bau einer Murgbrücke bekommt, um Holz aus dem "Ayl- und Scheuerlenswald" leichter zur Mühle bringen zu können. Dem Gastmeister wird zudem erlaubt, zur Wässerung seiner Felder links der Murg einen "Kähner" (eine offene Wasserleitung) über die Brücke zu führen.

Wir finden diese Daten allesamt in der bereits zitierten Baugenehmigung vom Juni 1756, die im Beilagerbuch (XXXVI) des Klosteramts erhalten geblieben ist. Leider gibt die Genehmigung keine Antwort auf die Frage, woher das Wasser zum Betrieb der Sägmühle genommen werden sollte. Aus der Erlaubnis, das Mühlwasser nach Gebrauch über die Brücke auf die Felder des Gastmeisters jenseits der Murg zu leiten, kann man wohl schließen, dass es nicht zuvor dem tiefer gelegenen Fluss entnommen wurde.

Nimmt man nun zur besseren Orientierung die ersten Flurkarten aus dem Jahr 1837 zur Hand (LII), dann findet man entlang des fraglichen Abschnittes der Murg die Erlensägmühle im Norden von Reichenbach (Foto 1) und knapp zwei Kilometer weiter nördlich die Heselbacher Sägmühle. Während die Heselbacher Mühle aus der Murg gespeist wird, ist das bei der Erlensägmühle zu dieser Zeit noch nicht der Fall. Sie bekommt ihr Wasser hauptsächlich von einem wohl gedeckelten, nicht ganz 50 m langen Zulauf von einem Wassergraben unterhalb des Heselbacher Wegs herab (Kartenausschnitt 1); diesen Zulauf, der in den Mühlteich mündet, meint man im Gelände nordostwärts der Mühle auch heute noch zu erkennen (Foto 2). Der Wassergraben am Hang zweigt 1837 gleich hinter der alten Badstub (Haus 51) vom Reichenbach ab, vereinigt sich weiter nördlich (auf der Parzelle 89) mit dem Schleifbach und mündet nach einer Gesamtlänge von ungefähr 1,5 km erst hinter der Romelsau, aber noch vor der Heselbacher Sägmühle in die Murg; kurz vor dem "Anker" hat der Schleifbach-Teil des Grabens über gut 10 m hinweg ein stärkeres Gefälle (Kartenausschitt 2), sonst ist das Gefälle gering.

 
 
Foto 1: Erlensägmühle und Mühlteich
Die Aufnahme aus dem Jahr 2005 zeigt die Sägmühle von Süden mit dem Mühlteich im Vordergrund; über den Damm am linken Bildrand verläuft die Eisenbahnlinie, die sich um 1900 zwischen Murg und Sägmühle geschoben hat.
  Foto 2: Der Zulauf vom Wassergraben zum Mühlteich
Dieses Foto (2005), von Nordwesten aufgenommen, lässt in der Bildmitte den schräg von NO kommenden Wasserzulauf zur Sägmühle noch heute erkennen; im Vordergrund die Bundesstraße, die im wesentlichen der Trasse von 1837 folgt.
 
Sucht man nach Brücken über die Murg, dann findet man 1837 nur die Brücke unterhalb Reichenbachs, die sehr alt sein muss, weil sie den Weg zu den Höfen im Tonbach, den "Reichenbacher Höfen", erschloss. Es stellt sich demnach die Frage, welche Brücke der Gastmeister 1756 gebaut haben mag und wo sie geblieben ist. Dazu später mehr.

Bevor man mit Hilfe des Primärkatasters (LII) die Besitzverhältnisse um 1840 untersucht, muss man sich darüber klar werden, dass der letzte Gastmeister aus der Familie Klumpp, Christoph Friedrich Klumpp (1776 - 1828), kinderlos starb. Schon zuvor, nach dem Tod von Franz Carl Klumpp (1744 - 1799), war es allerdings, vielleicht in Folge von Erbauseinandersetzungen, zu einem Zerfall des reichen Gastmeisterbesitzes gekommen. Über den ungeschmälerten Besitz gibt daher letztmalig das "Handlohn- und Weglösebuch" (XXII), das 1789 angelegt und ungefähr bis 1800 fortgeschrieben wurde, ausführlich Auskunft. Befragt man das Buch nach Feldern des Gastmeisters ungefähr auf gleicher Höhe beiderseits der Murg (Sägmühle auf eigenem Wiesfeld, zu bewässernde Felder jenseits des Flusses), dann stößt man auf die Gewanne Erlen und Brandau. Auf der Brandau, westlich der Murg, besitzt Franz Carl Klumpp1789 gut drei Morgen und in Erlen, östlich der Murg, gut zwei Morgen. Im Primärkataster (um 1840) erstreckt sich das Gewann Brandau über die Parzellen 370 - 379 und das Gewann Erlen über die Parzellen 86 - 89, im Norden also bis zur Grenze der Reichenbacher Markung unterhalb des "Ankers" (Kartenausschnitt 2).

 
  Kartenausschnitt 1:
Die Erlensägmühle und Umgebung (1837)

Die Erlensägmühle trägt die alte Hausnummer 50. Südlich, unmittelbar vor der Sägmühle liegt der Mühlteich (blau schraffiert). Durch die Murg getrennt sind die Parzellen der Gewanne Brandau und Erlen. Die blaue Linie im Gelände rechts, ein felsiger Hang zur Talebene, zeigt den Verlauf des Wassergrabens, der den Reichenbach (im Süden) mit dem Schleifbach (im Norden, vgl. Kartenausschnitt 2) verbindet. Das durch zwei blaue Linien begrenzte, von Nordosten kommende Stück zwischen Wassergraben und Mühlteich markiert den wahrscheinlich gedeckelten Zulauf zum Mühlteich. Der noch heute vorhandene Ablauf nach Nordwesten von der Säge zur Murg, ist ebenfalls durch zwei blaue Linien begrenzt. Die Straße auf der Talsohle, alternativ zum höher gelegenen Heselbacher Weg, gibt es um 1750 sehr wahrscheinlich noch nicht, im Mühlenplan von 1751 ist sie jedenfalls nicht belegt.

(Quelle: Staatliches Vermessungsamt Freudenstadt)

 
Nun zu den Besitzverhältnissen um 1840. Der neue Gastmeister, Gottlieb Friedrich Schweikle (1800 - 1871), verfügt nur noch über das Hauptgebäude des Komplexes, die eigentliche Gastherberg mit der Nummer 49, während die drei Nebengebäude, sie tragen alle die Nummer 48, darunter auch das spätere Forsthaus, in anderen Händen sind, und zwar im Besitz von Ignaz Fleig aus Villingen und Carl Bantlin aus Beffendorf (Oberndorf a.N.). Diese beiden auswärtigen Investoren besitzen aber auch und vor allem mit der Nummer 50 die Erlensägmühle sowie, ein wenig überraschend, auf Heselbacher Markung das Kellerhaus des "Ankers", der die Heselbacher Hausnummer 19 trägt (Kartenausschnitt 2).

So weit der Gebäudekataster. Schaut man nun in den Feldkataster, dann erlebt man eine Überraschung: die Parzellen 86/3, auf der die Erlensägmühle liegt, und 88/3, über die der Zulauf vom Wassergraben zum Mühlteich führt (Kartenausschnitt 1), sind nicht in Händen der Partner Fleig und Bantlin, sondern im Besitz von "Friedrich Pulvermüller und Consorten"; dieses Konsortium besitzt zudem in der Parzelle 86/6 einen schmalen Streifen entlang der Murg, unterhalb des "Ankers" (Kartenausschnitt 2). Man kann den Widerspruch vielleicht so auflösen, dass die beiden Kataster nicht genau den gleichen Zeitpunkt widerspiegeln. In der Tat hat es den Anschein, dass im Gebäudekataster die Namen von Ignaz Fleig und Carl Bantlin wieder gestrichen sind. Sie wären dann entweder Mitglieder des neuen Konsortiums geworden oder vom Konsortium abgelöst worden. Diese Frage ist für die weiteren Untersuchungen jedoch nicht von Belang.

 
  Kartenausschnitt 2:
Der "Anker" und Umgebung (1837)

Der Gasthof "Zum Anker" hat die Hausnummer 19 auf Heselbacher Markung (die Markungsgrenze verläuft entlang der gestrichelten Linie unmittelbar südlich des Gasthofs). Die Kellerhütte wird durch das kleine rot ausgemalte Rechteck markiert. Südlich davon, auf der Parzelle 88/1 (Reichenbacher Markung) erkennt man das kurze stärkere Gefälle des Schleifbachs (blau), der sonst nur mit geringem Gefälle nach Nordwesten führt und (außerhalb des Kartenausschnitts) in die Murg mündet. In der Mitte des Ausschnitts kann man als schmalen Streifen entlang der Murg die Parzelle 86/6 erkennen, die von einem Weg (grau) begrenzt wird, der am Ufer der Murg endet.

(Quelle: Staatliches Vermessungsamt Freudenstadt)

 
Zieht man an dieser Stelle eine Zwischenbilanz, dann ist wohl trotz des Fehlens der Gastmeister-Brücke und zweier Ungereimtheiten - Kellerhütte und Geländestreifen beim "Anker" - der Schluss naheliegend, dass die Sägmühle, die der Gastmeister 1756 unzweifelhaft gebaut hat, die Erlensägmühle gewesen sein könnte. Diesen Schluss habe ich am Rande zweier Artikel in den "Freudenstädter Heimatblättern" (01/03 und 08/05) angedeutet und damit den, wie sich zeigen wird: berechtigten Widerspruch von Walter Keck herausgefordert. Er berichtete nämlich, dass er 1959 bei der Bebauung seines Grundstücks beim "Anker" an einer Stelle, an der der Schleifbach steil zur heutigen Bundesstraße hinabfällt (und Walter Keck inzwischen wieder ein Wasserrad installiert hat; Foto 3) auf große behauene Balken gestoßen ist, die Reste einer Mühleneinrichtung gewesen sein könnten. Es muss wohl die gleiche Stelle auf der Parzelle 88/1 (Reichenbacher Markung) sein, an der schon die Flurkarte von 1837 ein stärkeres Gefälle des Schleifbachs dokumentiert (Kartenausschnitt 2). Mit diesem Hinweis von Walter Keck fällt auch auf die oben genannten, man muss jetzt sagen: scheinbaren Ungereimtheiten ein neues Licht. Grund genug, die verfügbaren Quellen erneut und ausführlicher zu befragen.
 
 
Foto 3: Das Mühlrad von Walter Keck (2007)
Das Haus, im Hintergrund, und der große Garten der Familie Keck liegen auf der 1837 noch unbebauten Parzelle 88/1 (Reichenbacher Markung). Im Vordergrund, rechts vom Plattenweg, erkennt man den nur mit geringem Gefälle nach Norden fließenden Schleifbach, ehe er nach Westen zum Mühlrad hinunter schießt.
  Foto 4: Die Parzelle 86/6 am Ufer der Murg (2007)
Der Weg, der die schmale Parzelle einst nach Norden (rechts) hin begrenzte, existiert heute nicht mehr. Wahrscheinlich wurde er zugunsten des neunen Fußwegs, der von Heselbach herüber kommt, aufgegeben. Auch der alte Weg mündete ungefähr an der Stelle, an der man den Steg über die Murg erkennt.
 
Außer dem Beilagerbuch (XXXVI) stehen an weiteren Quellen zur Verfügung die Büschel 30 ("Bau einer Sägmühle"; LVIII) und 157 ("Verkauf von Wildfeldern"; LIII) aus dem Bestand A 516 L des Hauptstaatsarchivs. Durchforstet man diese Quellen nach Hinweisen auf den Standort der vom Gastmeister 1756 gebauten Sägmühle, dann lassen sich die folgenden Informationen in chronologischer Reihe zusammenstellen:

a) Einer Stellungnahme des Amtmanns Clemens vom 26. Juni 1756 (zu der er im Mai 1756 aus Stuttgart aufgefordert wurde) können wir entnehmen, dass die geplante Sägmühle aus einem Säggraben mit Wasser versorgt werden soll, "dessen Anlegung, weilen er an einem felsigten Rain vorbeigeht und gar viele Steine gesprengt werden müssen", sehr aufwendig sein wird (LVIII). Diese Sprengungen könnten notwendig gewesen sein, um den Wassergraben des Gastmeisters, der unterhalb der Badstub abzweigt, mit dem Schleifbach zu verbinden, also den Zustand zu schaffen, den wir 1837 auf der Flurkarte ablesen können.

b) Im November 1756, nachdem mit dem Bau der Sägmühle bereits begonnen wurde, muss der Amtmann auf Weisung der herzoglichen Kanzlei zu einer Beschwerde des Bauers Adam Morlock aus Heselbach Stellung nehmen. Zum einen hatte sich der Bauer beschwert, dass der neu zu schaffende Säggraben ihm die im Lagerbuch 1667/68 verbriefte Wässerung seiner Felder aus dem "Schleifbronnen" schmälere (LVIII). Schlägt man im Heselbacher Teil des Lagerbuchs nach (XXXV), dann hat Hans Balthasar Ziflen (1633 - 1693), der Besitzer eines Wiesfeldes von sieben Morgen in der Romelsau (Lagerbuch: "Rumelsau"), das Recht der Wässerung "auß dem Schleifbronnen allein". Adam Morlock (1708 - 1774), der Beschwerdeführer, ist der Sohn der Magdalena Wolff, verw. Ziflen, die in zweiter Ehe 1693 Johann Nicolaus Morlock geheiratet hatte. Der Amtmann stellt nun klar, dass zwar Wasser über den Kähner auf die Felder des Gastmeisters jenseits der Murg geleitet werde, das Wasseraufkommen jedoch durch den Anschluss des Reichenbacher Wassergrabens und zweier bisher unerfasster Quellen, die auf Feldern des Gastmeisters entspringen, auch vermehrt worden sei; "von der Sägmühl aber kommt das Wasser wiederum in seinen alten Lauf und macht wie vorhin die Morlokische Wässerung ... aus" (LVIII). Damit ist zweifelsfrei klar, dass zumindest 1756 das Sägmühlwasser nicht direkt in die Murg ablief.

c) Adam Morlock hatte sich des weiteren darüber beschwert, dass ihm das, seiner Meinung nach, ohnehin schon geschmälerte Wasser durch mitgeführtes Sägmehl auch noch verdorben werde und seine althergebrachte "Wässerungsgerechtigkeit" zusätzlich verletze. Dazu teilt der Amtmann mit, es werde durch bauliche Maßnahmen dafür gesorgt, dass das Wasser frei von Sägmehl bleibe, im übrigen aber "fließt ja das Wasser von der Sägmühl aus wenigstens ein paar hundert Schritt weit rechter Hand auf der herrschaftl. Allmand hinunter, ehe und bevor es in des Morloken Feld lauft" (LVIII). Wenn "ein paar hundert Schritt" mehr als hundert, aber weniger als 200, sagen wir also: 180 Schritt sind, dann läge die Sägmühl ungefähr 120 m von den Feldern auf der Romelsau entfernt; ihr Standort wäre dann in der Nähe des "Ankers" zu suchen. Ist jedoch mit der Entfernungsangabe des Amtmanns jede Strecke unter 1000 Schritt gemeint, dann könnte der Standort der Sägmühle auch weiter südlich sein. Schwer vorstellbar und durch die Karte nicht gedeckt wäre allerdings ein Ablaufgraben von der Erlensägmühle der Murg entlang bis in die Romelsau.

d) Mit Dekret vom 23. Mai 1760 verkauft der Staat, nominell der Herzog, dem Gastmeister zu Reichenbach, Franz Jacob Klumpp, drei Allmandplätze, darunter ungefähr drei Viertel (Morgen) "unterhalb seiner Sägmühl hart an der Murg, zwischen dem Murgfluß und dem Weg oder Heselbacher Viehtrieb liegend, oben an sein Gut und seine Säg Mihlin, unten die Allmand stoßend" (LIII). Unterstellt, die Sägmühle läge in der Nähe des "Ankers", dann kämen nach der Beschreibung im Dekret wahrscheinlich die späteren Parzellen 86/5 oder 86/6 auf Reichenbacher Markung in Frage (Kartenausschitt 2). Für die Parzelle 86/6 spräche, dass sie um 1840 in Händen des Konsortiums von Friedrich Pulvermüller ist, sie ist aber mit gut zwei Morgen zu groß; doch muss die spätere Parzelleneinteilung nicht der Situation um 1760 entsprechen. Die Parzelle 86/5 misst exakt drei Viertel, ist um 1840 jedoch im Besitz des Färbers (Ernst) Gottlob Frey aus Reichenbach, über den weder eine Beziehung zur Gastmeister-Familie noch zum Konsortium herzustellen ist. Genaueren Aufschluss bekämen wir, wenn der "Heselbacher Viehtrieb" eindeutig zu identifizieren wäre.

e) Im Oktober 1763 (Dekret vom 8. Oktober) erwirbt der Gastmeister erneut Allmandfelder, darunter auch ein Feldstück von ungefähr 1,5 Viertel "am Schleifbach, zwischen der Murg und dem Schleifbach gelegen, oben wieder auf den Schleifbach und unten an die Murg und die Bruk stoßend" (LIII). Das muss wohl die Brücke sein, die der Gastmeister bauen ließ, um das Holz westlich der Murg heranfahren zu können. Die Brücke finden wir, wie gesagt, 1837 nicht mehr. Suchen wir jedoch auf der Karte eine Stelle, an der sowohl die Murg als auch der Schleifbach einen Knick machen, also - um der oben zitierten Beschreibung zu genügen - ungefähr die Figur einer Raute bilden, dann wird man vielleicht an der Markungsgrenze zwischen Reichenbach und Heselbach, am Beginn der Romelsau und in der Nähe der Parzelle 86/6 fündig. Dann wäre die Brücke des Gastmeisters ungefähr an der Stelle zu suchen, an der heute der Fußgängersteg über die Murg zum Leimenbuckel führt (Foto 4). An dieser Stelle endet 1837 ein Weg am Ufer der Murg (Kartenausschnitt 2).

Aber wo ist die Brücke geblieben? Sie muss ja gebaut worden sein, sonst könnte sie 1763 nicht zur Grenzbeschreibung herangezogen werden. Und sie muss mindestens zweimal gebaut worden sein, denn im Frühjahr 1760, nach noch nicht einmal vier Jahren, berichtet der Amtmann, dass die Brücke des Gastmeisters, eine Holzbrücke, "durch große Gewässer" zerstört worden sei und befürwortet gleichzeitig den Antrag zur "Wiederherstellung" der Brücke, der in Stuttgart auch postwendend genehmigt wurde (LVIII). Möglicherweise, wir haben darüber keine Vorgänge, ist die Brücke, wiederum eine Holzbrücke, ein zweites Mal dem Hochwasser zum Opfer gefallen oder wegen fortwährender Hochwasser-Gefährdung schließlich aufgegeben worden. 1837 gibt es jedenfalls keine Murgbrücke zwischen Reichenbach und Heselbach.

Es zeigt sich aber, dass das Resumee nach dem zweiten Teil unserer Erörterung anders ausfallen muss, als nach dem ersten Teil. Klar scheint jetzt, dass die Sägmühle, die der Gastmeister 1756 errichtete, nicht identisch sein kann mit der Erlensägmühle, sondern - wie von Walter Keck vermutet - in der Nähe des "Ankers" gesucht werden muss. Dieser Schluss steht auch im Einklang mit der Beschreibung der Sägmühle am Schleifbach von K.F.V. Jägerschmid aus dem Jahr 1800. Die Sägmühle des Gastmeisters muss mindestens bis zum Jahr 1803 Bestand gehabt haben, denn bis zu diesem Jahr enthält das Büschel 30 Akten über den Betrieb der Mühle. Danach, zwischen 1803 und 1837 muss sie wohl aufgegeben und abgerissen worden sein, vielleicht zugunsten der Erlensägmühle, an der Christoph Friedrich Klumpp, der letzte Gastmeister aus seiner Familie, zunächst auch beteiligt gewesen sein könnte. Dies würde erklären, warum einige Immobilien, die früher fraglos im Besitz des Gastmeisters waren, insbesondere die Nebengebäude der Gastherberg und die Felder in Erlen, um 1840 ganz oder zu Teilen in Händen der Partner Fleig/Bantlin oder des Konsortiums von Friedrich Pulvermüller sind.

 
Typoskript:06/07
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Aktualisierung: 06/07