Studien
 
Kollektive Nutzungsrechte an Feldern und Wäldern im Klosteramt Reichenbach (Teil 1):
Übersicht
 
Im dritten Teil meiner Studie "Abgaben und Fronen im Klosteramt Reichenbach" hatte ich die vergleichsweise geringe Abgabenquote in Beziehung gesetzt zu den staatlichen Leistungen, die sich als ebenso gering erwiesen. Nicht zu berücksichtigen unter den Leistungen des Staates waren allerlei kollektive Nutzungsrechte, die gleichwohl das Leben und Überleben der Familien erleichterten, in vielen Fällen überhaupt erst ermöglichten. Diese Nutzungsrechte werden im Heselbacher Teil des Lagerbuchs von 1667/68 (XXXV) in bewußter Alliteration, die auf eine Entstehungszeit verweist, in der Schriftlichkeit kaum verbreitet war, auf die Formel "Trib, Trath, Wonn und Waidt" gebracht. In anderen Teilen des Lagerbuchs finden wir diese Formel zu "Tritt, Trab, Wohn und Waidt" verballhornt - ein Zeichen wohl dafür, dass den amtlichen Schreibern des 17. Jahrhunderts die ursprüngliche Formel nichts mehr sagte.

Konsultiert man (unter anderem) das "Deutsche Wörterbuch" der Brüder Grimm, dann erweist sich die "Trath" als die Weide des Viehs auf den abgeernteten Ackerfeldern und abschließend gemähten Wiesen. "Waidt" meint das eigentliche Weideland auf entsprechend ausgewiesenen Feldern sowie die Weide in den Wäldern. Der "Trib" regelt den Zugang zu den Weiden, indem er die Wege benennt (Viehtrieb, Triebweg), die offengehalten, bzw. eingehalten werden mussten. "Wonn" schließlich ist begriffsgeschichtlich verwandt mit dem Verb "gewinnen", meint also den Nutzen, den man der nicht-privatisierten Flur, besonders dem Wald (Holz, Beeren, Pilze) abgewinnen konnte. Unter das Stichwort "Wonn" können wir auch, wenngleich das Lagerbuch anders gliedert, die allgemeinen Fischereirechte subsummieren (das Wild war indessen durch "Wildbänne" der kollektiven Nutzung gänzlich entzogen).

Diese prinzipiell zuerkannten Nutzungsrechte waren in Übereinstimmung zu bringen mit den gemeinderechtlichen und besitzrechtlichen Gegebenheiten im Klosteramt. So hatten zwar die meisten, namentlich die alten Klosterdörfer innerhalb der Grenzen des Klosteramts (der "Weitreiche") eigene Markungen, jedoch nicht alle: Huzenbach lag mit minderen, anderweitig aber kompensierten Rechten auf Schwarzenberger Markung; Reichenbach, über Jahrhunderte hinweg nur Sitz des Klosters mit seinen Bediensteten, und die lange (bis 1557) zwischen dem Kloster und dem württembergischen Baiersbronn umstrittenen Höfe im Tonbach waren ohne eigene Gemeindegrenzen Teile des Klosteramts.

Wenn wir nun die Flur einer Dorfmarkung grob unterteilen in Ackerland, Wiesen, Weiden, Wald und Gewässer, dann unterlagen die beiden letzteren nicht oder nicht uneingeschränkt der Verfügungsgewalt der Gemeinde ("Zwing und Bann") oder ihrer Bürger. Die mit Fischbestand gesegneten größeren Gewässer, insbesondere die Murg, blieben in Händen des Staates ("des Closters aigenthumbliche Vischwaßer"), der den Mitgliedern der Gemeinde eine beschränkte Nutzung gewährte. (Man muss sich daran gewöhnen, dass noch im Lagerbuch von 1667/68 "das Closter", obwohl seit 1648 endgültig aufgelöst, begrifflich für das weltliche Klosteramt Reichenbach des württembergischen Staates steht.)

Nicht aller Wald innerhalb einer Dorfmarkung stand der Gemeinde auch zur Verfügung, sondern nur ein begrenzter, mehr oder minder großer Teil ("des Fleckhens Bannwäldt"), der Rest blieb staatlich ("Closterwald"). Und selbst im kommunalen Wald wurden die Rechte der Gemeinde noch beschränkt: so war das "Äckherich" (Eckerich), also die Nutzung von Eicheln und Bucheckern zur Schweinemast, strittig und wurde im Lagerbuch 1667/68 vorläufig so geregelt, dass sich beide - Gemeinde und Klosteramt - das Eckerich im Kommunalwald teilten (im Staatswald verfügte ohnehin nur das "Closter" über das Eckerich). Die Jagd schließlich war und blieb auf allen Fluren als altes Königs-, später Herrschaftsrecht obrigkeitlich - sie stand westlich der Murg dem württembergischen Herzog und östlich des Flusses, hier wird die feudale Herkunft besonders deutlich, dem Markgraf von Baden zu (der einst Vogteirechte über das Kloster besaß). Wirkten also einerseits feudale Traditionen noch in den kommunalen Wald des 17. Jahrhunderts hinein, so hatten andererseits einige Dörfer, zum Beispiel Heselbach und Schwarzenberg, damit begonnen, den Gemeindewald unter den nutzungsberechtigten Bürgern aufzuteilen, also zu privatisieren. Privatwälder im engeren Sinne waren im Klosteramt allerdings selten: 1769 weist das "Tabellarische Verzeichnis" nennenswerte private Waldbestände nur für Igelsberg nach (XXXI).

Einer Tendenz zur Privatisierung unterlagen auch die Weiden, waren aber zur Zeit des Lagerbuchs von 1667/68 im großen und ganzen noch im gemeinschaftlichen Besitz des Dorfverbandes ("Allmand"). Fast ausschließlich in privater Hand (wenn auch de iure meist als erbliches Lehen) waren dagegen Äcker und Wiesen.

Reichenbach und die Höfe im Tonbach waren, weil ihnen mangels eigener Markung kommunale Wälder fehlten, auf eingeräumte Nutzungszugeständnisse in den staatlichen Klosterwäldern angewiesen. Allmanden zur gemeinschaftlichen Nutzung als Weideland wurden für beide Ortschaften benannt. Auf den Höfen waren Äcker und Wiesen seit eh und je in privater Hand, in Reichenbach wurden sie mit dem Verkauf von Grund und Boden an Neubürger (ab 1620) und schließlich mit dem Verkauf der großen Klostergüter (1651) nach und nach privatisiert.

Diese knappe Übersicht lässt bereits erkennen, dass die Verschiedenheit im kommunalen Status, die verschiedenen Besitzverhältnisse und die verschränkten, teilweise konkurrierenden Nutzungsabsichten (Holznutzung versus Waldweide) eine sowohl genaue als auch ausführliche Regelung der kollektiven Nutzungsrechte verlangten. Diese zu skizzieren ist Ziel der folgenden Teile. Hauptquelle (und im folgenden nicht eigens mehr vermerkt) ist das Lagerbuch von 1667/68 (XXXV), dessen zentralen Teil mit Reichenbach sowie dessen lokalen Teile über Heselbach, Röt, Schwarzenberg, Huzenbach und den Höfen im Tonbach ich im einzelnen ausgewertet habe. Andere Quellen werden fallweise herangezogen und jeweils nachgewiesen.

 
Internetversion: 02/08
Aktualisierung: 02/08